Provence – mon amour Wenn im Herbst der Touristenstrom verebbt und in der Provence Ruhe einkehrt, dann spürt man auch wieder jenen Zauber, der einen fesselt und gefangen nimmt von einem Land, mit dem unvergleichlichen Licht, der beschwingten Atmosphäre, den Naturschönheiten und Architekturdenkmälern, bestrahlt von südlicher Sonne. Lehmbraune Steinhäuser eingebettet in üppiger Landschaft, Platanenalleen, elegante Städte wie Aix en Provence oder Avignon, kleine versteckte Bergdörfer mit schattigen engen Gassen, Terrakotta Töpfe mit Pflanzen und Gewächsen auf keinen Balkonen oder Fensterbänken. Dann wieder die karge Umgebung, Felsen, ausgetrocknete Erde, harte bäuerliche Arbeit, der kalte Nordwind Mistral, die Einsamkeit. Nicht zu vergessen die immer währende Sonne. Gegensätze. Vertrautheit. Befremden. Ruhe und Anspannung. Tiefe und Oberflächlichkeit. Süden. Man hat schon viel über die Provence geschrieben, auch über die schleichende Umweltverschmutzung, die nicht nur auf seine Metropole Marseille Schatten wirft, über die Touristen-Hochburgen wie Gordes oder Les Saintes-Maries-de-la-Mer, über die ansteigende Kriminalität aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit, das Verschwinden der kleinen, familiären „Aubergen“ zugunsten von schneller Küche und rascher Abfertigung – man kennt das alles. Und doch – die Provence scheint nie ihren Zauber zu verlieren, sie ist immer noch ein Magnet, ein Anziehungspunkt für Individualisten, für Künstler, oder einfach für Menschen wie du und ich. Der Gedanke einfach wie Peter Mayle – oder besser gesagt, eben ganz anders als Peter Mayle – einmal ein Jahr in der Provence zu verbringen, setzte sich bei meinen Kurzurlauben zuvor in meinem Kopf fest und ließ mich nicht mehr los. Tagtäglich den Machtspielen von Geld, Konkurrenz und sozialem Status ausgesetzt war mein Leben an einem Punkt angelangt, wo eine Veränderung vonnöten war. Mein Traum war immer schon im Süden irgendeiner kreativen Tätigkeit nachzugehen, schreiben, malen, Sprachen lernen, kochen, in den Tag hineinleben (ist nämlich auch kreativ, weil man als Arbeitstier das nicht gewohnt ist). Ich fand ein paar Monate zuvor ein kleines möbliertes Appartement in einem ehemaligen Hotel aus dem 18. Jahrhundert, mit eindrucksvollem Innenhof, der wiederum in einen noch eindrucksvolleren Garten führte. Die Miete war nicht teuer, meine Ersparnisse reichten genau für ein Jahr und mein Französisch reichte gerade um beim Bäcker einzukaufen. Über die besorgten und gutgemeinten Ratschläge vieler lieber Menschen in Salzburg hinwegsehend packte ich schließlich eines schönen Wintertages einige Koffer, nahm meinen Hund und meinen ganzen Mut und tat das bisher Unverständlichste, Unkonventionellste und Verrückteste in meinem Leben tatsächlich – ich verließ Österreich und fuhr ein ganzes Jahr in die Künstleridylle des Südens. „Was willst du denn da unten tun?“ „Meine innewohnende Kreativität erforschen.“ „Aber jeder erwachsene Mensch muss doch was Vernünftiges tun.“ Es war wie gesagt Winter als ich ankam im charmanten Städtchen L’Isle-sur-la-Sorgue, dem Klein-Venedig der Provence, mit seinen vielen kleinen Brücken entlang der verzweigten Wasserarme der Sorgue. Jeden Morgen öffnete ich das grüne, schwere Holztor und spazierte mit dem Hund durch die kleinen schmalen Gässchen zum Platz der Platanen und weiter in die bunte Geschäftsstraße. Der Ort erwachte langsam, die ersten Sonnenstrahlen blinzelten auf die Dächer. Der Bäcker, der Metzger und der Gemüsehändler grüßten, in der Tabak-Bar saßen einige Männer rauchend und diskutierend bei einem Espresso, Hunde und Katzen schlichen bedächtig des Weges, Hausfrauen mit großen Einkaufstaschen machten die ersten Besorgungen. Ländliche Winteridylle. Es waren keine Touristen weit und breit und ab 20 Uhr abends sah man keine Menschenseele auf der Straße. Sonntags war Markttag. Die Köstlichkeiten der Region von Stand zu Stand bestaunend bahnt man sich seinen Weg von feinen Gerüchen begleitet - gebratene Garnelen in Knoblauch, gegrillte Hähnchen in Zwiebelsauce, der Duft frischer Pizza aus dem Ofen – währen dessen man hier Gemüse, dort ein paar Früchte und an jener Stelle den Lavendelhonig vom letzten Sommer kauft. Am Nachmittag noch ein Besuch des Antiquitätenmarktes, wo sich besonders im Winter das Stöbern lohnt: Alte Möbel, Kunst, Kurioses, Krimskrams – alles, was einem das Herz höher schlagen lässt. Gleich fünf Minuten von meinem Appartement entfernt fand ich das kleine, unscheinbare Restaurant, wo Madame kocht und Monsieur mit dem Sohn die Gäste bedient. Ein Menü pro Tag, preiswert, mit Liebe zubereitet und ausreichend für den Rest des Tages. Man fühlt sich in eine familiäre Atmosphäre versetzt wenn Madame in der Küche singt und Monsieur den neuesten Klatsch erzählt. Sofern man französisch spricht. Aber das lernte ich schnell. Zumindest verstand ich nach vier Monaten fast die Hälfte des Gesprochenen. Eines schönen Nachmittages, es war Anfang Februar, schien die Sonne so grell vom wolkenlosen Himmel, dass man ohne Sonnenbrille kaum sehen konnte. Der gefürchtete kalte Nordwind Mistral rauschte mit einer Geschwindigkeit, die einem den Atem nahm. Selbst hinter den geschlossenen Türen und Fenstern der Bars und Brasserien sah man weniger Kundschaft als gewohnt. Ich fuhr in das kleine Dörfchen Saumane, suchte den windgeschützten Platz auf der Steinmauer neben der Kirche und genoss den Ausblick auf das Lubéron Gebirge auf der einen – und die felsigen Berge der Alpilles auf der anderen Seite. Der Mistral, Meister der Winde fegte durch die Gassen, um die alten Häuser und Dächer, wirbelte Staub auf, und die Natur beugte sich anmutig vor dieser Kraft. Eine grandiose Darbietung. Ich nahm mir vor Dinge zu unternehmen, die ungewöhnlich waren. Ein Tanz auf einen Felsen vor der Kulisse von Les Baux-de-Provence, ein Picknick in den Weinbergen von Châteauneuf-du-Pape, ein Sonnenaufgang bei den Quellen in Fontaine-de-Vaucluse oder ein Sonnenuntergang vor dem Papstpalast in Avignon. Als sich die ersten Frühlingstage ankündigten fuhr ich in alte Bergdörfer, setzte mich in kleine Cafés und begann zu schreiben. Ich schrieb alles auf was mir gerade in den Sinn kam, sprach mit fremden Menschen, wobei sich einige Kontakte entwickelten, die bis heute andauern. Ich kommunizierte mit den Einheimischen, beobachtete deren Verhalten und bekam mit der Zeit einen wirklichen Einblick in eine andere Lebensform und Mentalität. Ganz langsam veränderte auch ich mich. Ich ging nicht mehr im „Laufschritt“ einkaufen, meine Denkungsweise dehnte sich aus und meine Werte verlagerten sich. Und es tat gut, einmal nicht tüchtig, erfolgreich und angepasst zu sein. Es tat gut, einfach drei Stunden in der Sonne zu sitzen und nichts zu tun als den Provencalen beim „Boule“ spielen zuzusehen. Es tat gut, den Mond durch mein kleines Dachfenster zu beobachten, wissend, dass der Tag langsam heranbricht. Ich hatte einfach nicht mehr die Geduld innezuhalten und das Schauspiel der Natur zu beobachten und diese Kraft zu spüren, die, wenn man sich eins fühlt, auf einen übergeht. Wir leben immer in dem gleichen Trott und vergessen, ja verlernen so vieles, was uns die Natur geschenkt hat. Ich habe hier in der Provence wieder gelernt, mit Freude und Dankbarkeit die einfachen Dinge des Lebens zu begreifen und zu leben. Ich war im Begriff nachzudenken über das wirklich Wesentliche im Leben, wie zum Beispiel über den Luxus Zeit, über Gesundheit, Toleranz, wahrer Freundschaft und über Mut. Denn man braucht stets ein kleines bisschen Mut um seinen Träumen zu folgen, aber es lohnt sich immer.